Einige Thesen zur österreichischen Position im e-tourismus
Hannes Werthner (TU Wien)[1]
Juli 2011
1.
Das Internet / Web hat sich in seiner
Bedeutung für den Tourismus entwickelt wie dies bereits vor 15 Jahren
vorhergesagt wurde (siehe z.B. die Konferenzbände der in Innsbruck initiierten Enter
Konferenz seit 1994)
2.
Das Web hat damit die prognostizierte
strategische Bedeutung erhalten. Im
internationalen Vergleich sind dabei österreichische touristische
Leistungsanbieter wie Hotels sehr gut im Web vertreten (eigene Websites,
Repräsentanz in diversen Buchungsmaschinen).
3.
Österreich hatte im e-tourismus sowohl im akademisch / wissenschaftlichen Bereich
als auch im wirtschaftlichen Anwendungsbereich eine international führende
Position. Historisch betrachtet gab es eine gegenseitige Befruchtung der beiden
Bereiche.
4.
Die international führende e-tourismus Position konnte in den letzten Jahren nicht
gehalten werden.
5.
Der (sich ständig weiter entwickelnde) Online
Markt weist eine hohe Konzentration auf, die ursprüngliche Hoffnung seitens der
Leistungsanbieter auf einen massenhaften Direktvertrieb hat sich nicht erfüllt.
Dies betrifft fast alle Ebenen der Vertriebs „Dienstleistungen“ wie Such- oder
Buchungsmaschinen.
6.
Insbesondere der elektronische
Buchungsmarkt weist eine dem früheren Tour Operator Markt ähnliche Struktur auf:
Konzentration auf wenige (im Wesentlichen) internationale und nicht
österreichische elektronische Zwischenhändler.
7.
Dabei sind diese Online Unternehmen
vorwiegend neue Marktteilnehmer, und sie agieren als elektronische
Zwischenhändler nach ihren eigenen Regeln.
8.
Sie besitzen aufgrund dieser
ausgezeichneten Marktposition (und auch des Marktwissens) die (quasi alleinige)
Definitionsmacht gegenüber touristischen Leistungsträgern
und Tourismusorganisationen. Letztere agieren damit aus einer eindeutig schwächeren
Position, mit entsprechenden Auswirkungen.
9.
Es gibt allerdings einige sehr aktive österreichische
e-tourismus Unternehmungen, die aber meist nur eine
regionale Bedeutung besitzen und die allgemeinen Marktverhältnisse nicht wesentlich
verändern
10.
Das Web 2.0 mit seiner Einbindung der
Endkunden wurde als neue Möglichkeit zur Marktpositionierung betrachtet,
änderte die generelle beschriebene Marktstruktur allerdings nicht.
11.
Auf akademischer Seite ist die Bilanz
gemischt: Universitäten besetzten ihre Professuren im Tourismus nicht nach (WU
Wien bzw. Universität Innsbruck), es erfolgte aber die Gründung einer eigenen
Privatuniversität MODUL University
Vienna mit einem Schwerpunkt Tourismus; und Fachhochschulen haben mit einem
entsprechenden Ausbau ihre Chance erkannt. Und einzelne Personen aus dem
universitären Bereich spielen nachwievor eine international wichtige Rolle.
12.
Das Internet / Web ist ständig von neuen
Innovations- und Technologiewellen geprägt, dies wird auch in Zukunft
Möglichkeiten zu einer entsprechenden Positionierung bieten.
13.
Insbesondere vor diesem Hintergrund erscheint
eine enge Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in der Bewältigung sich
damit ergebender wirtschaftlicher, technischer und strategischer Aufgaben notwendig.
Diese Thesen werfen die Frage einer adäquaten und
eigenständigen österreichischen Positionierung im elektronischen Marktplatz auf.
Dazu wird die Gründung einer unabhängigen Diskussionsplattform (mit Vertretung
aller wesentlichen österreichischen „Stakeholdern“) –
als österreichisches Chapter der IFITT (International
Federation for IT and Tourism) – vorgeschlagen.[2]
Dieses österreichische IFITT Chapter stellt sich folgenden
Aufgaben:
[1] Basierend auf Diskussionen mit C. Maurer (FH Krems), T. Reisenzahn (ÖHV),
I. Weissensteiner, K. Wöber (Modul Universität)
[2] IFITT ist die internationale Dachorganisation in diesem Bereich und organisiert die ENTER Konferenz. IFITT ist als internationale Organisation unabhängig von spezifischen Gruppierungen und verbindet zudem Anwendung mit Wissenschaft.